Bürgerinitiative
 
Hausen an der Würm

Das Wassermanagement erinnert an das Mittelalter


Von Dr. Albert Kiessling
NABU Weil der Stadt

Im Mittelalter hatten die Burgen und Schlösser in der Regel neben der Steinmauer auch einen Wassergraben zum Schutz gegen Angreifer. Wer die Burg einnehmen wollte, musste zuerst das Wasser abgraben, d.h. dafür sorgen, dass das Wasser aus dem Burggraben abfloss. Schlimmer noch war es, wenn einer Burg das Trinkwasser abgegraben wurde, weil sie keinen eigenen Brunnen besaß. Auch im Streit benachbarter Bauern wurde oft das Wasser abgegraben, indem die Bewässerungsgräben umgeleitet wurden. Vorkommnisse dazu wurden  z. B. in Hausen an der Würm kolportiert.

Ausgelöst durch die zunehmende Wasserknappheit infolge des Klimawandels bahnen sich neue Formen des Wasserabgrabens zwischen Nachbargemeinden an. Bevor die Region mit Bodenseewasser versorgt wurde, hatte noch jede Gemeinde ihre eigenen Trinkwasserquellen, die vor allem zu Beginn des letzten Jahrhunderts erschlossen wurden. Schon damals war die Erschließung ein Eingriff in den Wasserkreislauf, wurden doch kleinere Bäche ihrer Quelle beraubt oder die Grundwasser-Reservoire durch Brunnenbohrungen angezapft. Und schon damals hatten diese Eingriffe auch Auswirkungen auf die Natur, z. B. indem die ausgetrockneten Bäche als Laichgewässer für Amphibien entfielen.
Über die Gartenbewässerung wurde nur ein kleiner Teil des entnommenen Wassers wieder dem Grund-wasser zugeführt, der Rest wurde über die Kläranlage in den nahe gelegenen Fluss geleitet. So kam es zumindest dem flussabwärtsgelegenen Grundwasser wieder zugute. Leider wurden im gleichen Zeitraum zum Zwecke der Entwässerung der Flussauen Flussbegradigungen vorgenommen, die z. B. im Falle der Würm in den letzten 50 bis 60 Jahren zu Flussbett- und Grundwasserabsenkungen von ca. 2 m geführt haben.

Mit der Einführung der Bodenseewasserversorgung in den 1970-er Jahren wurde der ganzen Region von außen wieder Wasser zugeführt, die alten Wasserversorgungen wurden größtenteils stillgelegt oder zur Speisung von Dorfbrunnen herangezogen, deren Wasser meist ungenutzt in die abgesenkten Flüsse abfloss. Durch die jüngste Ankündigung der Bodenseewasserversorgung, die Trinkwasserzufuhr aus dem Bodensee zu begrenzen, während der Klimawandel und der Bevölkerungszuwachs gleichzeitig zu Mehrverbrauch herausfordert, sind die Gemeinden vor ernsthafte Probleme gestellt. In dem “Strukturgutachten Wasser-versorgung”   - beauftragt von den Gemeinden Renningen, Simmozheim und Weil der Stadt - lassen sich die Problemstellungen im Detail nachlesen.

Die finanziell verschuldeten Kommunen sehen Ihr finanzielles Heil aber immer noch in der Erschließung von neuen Wohn- und Gewerbegebieten, deren Wasserbedarf sie nicht mehr decken können. Insbesondere durch die Flächenversiegelung in den Gewerbegebieten mit ihren flächenfressenden Flachbauten wird die Wassersituation in der Region immer weiter verschlechtert:  Das gesammelte Regenwasser geht dem örtlichen Grundwasserreservoire verloren, solange dieses Wasser nur den abgesunkenen Flüssen zugeführt wird (siehe auch Initiative des NABU “S’Ländle leben lassen”).

Abhilfe könnte unter anderem geschaffen werden, wenn z. B die kleinen Staustufen der wassergetriebenen Mühlen reaktiviert würden, oder wenn die Renaturierung der ehemaligen Flussmäander vorangetrieben würde. Vor allem würde diese Renaturierung auch dem Hochwasser-schutz entgegenkommen, der aufgrund der zunehmenden Extremwetter-Ereignisse zunehmend an Bedeutung gewinnt. Sie würde vermutlich aber die Landwirte auf den Plan rufen, da ihre einst entwässerten Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung wieder verloren gingen.

Letztendlich bleibt den Gemeinden als scheinbar einfachste Lösung nur, sich um die wenigen Wasserreserven zu streiten und sich wieder wie in alten Zeiten gegenseitig das Wasser abzugraben. Da bleiben dann diejenigen auf der Strecke, die keine Wasserschutzgebiete mit Grundwasserreservoiren aufzuweisen haben.



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